Donnerstag. 07. 03. 2019
  // von Uwe Rotermund

Fachgerechter Aufbau von Ausschreibungs- und Vergabeunterlagen

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Hinweis: Der nachfolgende Beitrag bezieht sich zur Reduzierung des Umfangs ausschließlich auf das technische Gebäudemanagement.

 

Vergabeunterlagen häufig Auslöser für Streitigkeiten

Als öffentlich-bestellter und vereidigter Sachverständiger für Facility Management stelle ich fest, dass in den letzten beiden Jahren die Streitigkeiten um extern vergebene FM-Dienstleistungen deutlich zunehmen. Dies müssen nicht zwangsläufig gerichtsanhängige Verfahren sein, sondern können auch vorgerichtliche Auseinandersetzungen oder Schiedsgutachten sein.

In sehr vielen Fällen ist festzustellen, dass sich der Streitgegenstand u.a. auf nicht eindeutige Ausschreibungs-/Vergabe- oder Vertragsunterlagen bezieht oder die Datengrundlage unklar ist. Insofern ist auf eine qualitativ sehr hochwertige Erstellung der vorgenannten Unterlagen zu achten.

Bei der Erstellung der Ausschreibungsunterlagen wird oftmals ein externer Fachberater („FM-Berater“) hinzugezogen. Diese Vorgehensweise ist sinnvoll und empfehlenswert, da man eine Ausschreibung in hoher fachlicher Qualität nicht „nebenher“ erstellen kann. Wenn diese Leistung als interne Leistung zudem nur alle 3-5 Jahre gefordert ist fehlt schlichtweg die erforderliche Berufspraxis und Erfahrung zur Erstellung dieser Unterlagen. Leider setzen einige Auftraggeber zunehmend auf einen (Preis-)Wettbewerb der FM-Berater, wobei der Angebotspreis dabei das einzige Kriterium ist. Dass dies zu verminderter Qualität der Unterlagen führen muss ist eine zwangsläufige Folge. Aus dem Grund ist es ratsam auf die hohe fachliche Kompetenz des hinzugezogenen Beraters zu achten. Ein guter FM-Berater sollte mindestens 20 große Ausschreibungen pro Jahr abwickeln und mehrere Projektleiter in dem Bereich aufweisen. Zudem ist eine technische Fachkompetenz zur Beurteilung der TGA unerlässlich – ein Kaufmann würde auch nicht Ihr Auto instandsetzen.

Unterlagen fachlich oft mangelhaft

Unter Zugrundelegung der mir bekannten Ausschreibungs- und Vertragsunterlagen muss ich feststellen, dass weit mehr als 60-70% der mir übergebenen Unterlagen fachlich mangelhaft sind und nicht dazu beitragen den o.g. Auseinandersetzungen vorzubeugen. Im Gegenteil, viele Unterlagen laden nahezu dazu ein, über die Leistungsinhalte zu streiten. Ein häufiges Beispiel ist die typische uneindeutige Verwendung der Begriffe (Leistungsarten) Instandhaltung, Inspektion, Wartung, Instandsetzung, Betreiben, Betriebsführung, etc.. Aus gutachterlicher Sicht ist es teilweise sehr schwer nachzuvollziehen, welche Leistungsinhalte des FM-Dienstleisters konkret vereinbart wurden. Zudem passen Anlagenbeschreibungen etc. nicht, da die technische (TGA-) Kompetenz bei der Erstellung der Unterlagen fehlte.

Bei kleineren Gebäuden, bei Gebäuden mit einem geringen Technisierungsgrad oder bei Objekten die häufig in Verkaufsprozesse der Immobilien eingebunden sind, können ggf. vereinfachte Vertragsunterlagen eingesetzt werden. Oder anders herum ausgedrückt: Es macht keinen Sinn für die Vergabe eines einzelnen Gewerks oder kleineren Gebäudes ein sehr umfangreiches Vertragswerk zu erstellen.

Sobald jedoch die zu vergebenden Leistungen umfangreicher werden, Flächen über 30.000 m² BGF ausgeschrieben werden oder der Technisierungsgrad der Gebäude hoch ist (Labore, Rechenzentren, Krankenhäuser/Kliniken, Universitäten, Industrie) sind sehr gute Ausschreibungs- und Vergabeunterlagen notwendig.

Gute Ausschreibungs- und Vergabeunterlagen bestehen in der Regel mindestens aus:

  • Vertrag
  • Leistungsbeschreibung
  • Leistungsverzeichnisse
  • Leistungskataloge (Festlegung Vorgehensweise)
  • Anlage Betreiberverantwortung
  • >10 weitere Anlagen

Vergabeprozess endet nicht mit Vergabe der Leistungen

Sehr wichtig ist auch im Vergabeprozess zu beachten, dass es nach der Vergabe der Leistungen an einen FM-Dienstleister nicht getan ist. Der Implementierungs- und Start-Up-Phase kommt eine große Bedeutung zu, die Dienstleistersteuerung muss geplant werden.

Es beginnt beispielsweise damit, dass aus dem Ausschreibungs-LV ein sogenanntes Auftrags-LV erzeugt wird. Hiernach erfolgt seitens des FM-Dienstleisters ein Massenabgleich der üblicherweise in 3-6 Monaten (je nach Umfang der Gebäude und Gewerke) zu erstellen ist. Da dies seitens der AN teilweise sehr ungerne durchgeführt wird, belegen wir diese Leistung in durch uns betreuten Projekten mittlerweile häufig mit einer Vertragsstrafenregelung. Voraussetzung ist, dass der Massenabgleich des FM-Dienstleisters eine zu vergütende Leistung ist. Aus dem Auftrags-LV wird nach durchgeführtem Massenabgleich ein Abrechnungs-LV.

Während der Laufzeit des Vertrages sollte zyklisch ein Massenabgleich durchgeführt werden, dies erfordert auch den Einsatz geeigneter IT-Systeme. Neben dem Massenabgleich müssen die Regelungen zur teilweise übertragenen Betreiberverantwortung bestätigt werden.

Aus den o.g. Punkten wird klar, dass die Führung des FM-Dienstleisters durch eine zuvor aufgesetzte Dienstleistersteuerung zwingend erforderlich ist. Dies muss im Betreibermodell abgebildet sein, wir empfehlen hierzu das sogenannte Management-Modell.

Zur Vermeidung der o.g. Streitigkeiten sind zyklische Leistungskontrollen des Auftraggebers unerlässlich. Wir empfehlen hierzu die Einführung/Durchführung von Audits. Wir erstellen diese Audits z.B. jährlich für unsere Auftraggeber und weisen frühzeitig auf Schwachstellen im Gebäudebetrieb hin. Eine Leistungsdurchführung ohne zyklische Audits bringt den AG schnell in eine für ihn ungünstige Position.

Beispielbild Spiegelreflexkamera

Auseinandersetzungen vorbeugen

Trotz aller Mühen können juristische Auseinandersetzungen dennoch vorkommen. Wenn beispielsweise FM-Dienstleister in einem seit zwei Jahren laufenden Vertrag eine Mehrforderung (bei gleichen Leistungsinhalten) von >50% stellen und hierbei als Druckmittel die Abhängigkeit des AG vom FM-Dienstleister nutzen, so wird es auch für langjährige Experten, Gutachter und Mediatoren schwierig, eine einvernehmliche Lösung zu finden.

Letztlich bedeutet dies, dass der AG bezogen auf eine Neuvergabe der FM-Leistungen stets „ausschreibungsfähig“ bleiben muss. In den Vertragsunterlagen ist dies entsprechend vorzusehen und im Betrieb umzusetzen. Wir erleben täglich, dass dies nicht der Fall ist – in 19 von 20 Ausschreibungen müssen vor der Neuausschreibung Bestandsaufnahmen durchgeführt werden, da die Daten nicht gepflegt wurden. Aus diesem Grund lehnen wir die Datenpflege in IT-Systemen des Dienstleisters strikt ab. Die Daten gehören in IT-Systeme des Auftraggebers. Dies kann im Regelfall ein CAFM-System bei AG sein. Problematisch wird es, wenn der FM-Dienstleister zig Nachunternehmer hat – in einem aktuellen Projekt mit einem Vergabevolumen von ca. 600 T€ waren 42 (!) Nachunternehmer eingesetzt. Jeder dieser Nachunternehmer müsste auf das CAFM-System des AG zugreifen – dies ist der „worst case“ für jeden IT-Verantwortlichen beim AG.

Als Lösung setzen wir seit einigen Jahren unsere fm.datenbank ein. In dieser Datenbank werden AKS-Schlüssel vergeben, die Bestandsdaten gepflegt, Protokolle, Wartungsberichte, ZÜS-Prüfungen, etc. abgelegt und die Daten sind permanent verfügbar. So besteht die Möglichkeit innerhalb kürzester Zeit eine Neuausschreibung zu starten und einen Dienstleisterwechsel vorzunehmen. Im Hinblick auf die möglichen juristischen Auseinandersetzungen baut der AG vorbeugend ein Instrument auf, dass seine Position nachhaltig stützt.

Bilder: rotermund.ingenieure

Ihr Kontakt/Ansprechpartner:

Uwe Rotermund

rotermund.ingenieure
Pfenningbreite 8
D-37671 Höxter/Weser

Tel.: +49 (5271) 697 999 8

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