„Im Wandel der Arbeitswelten“ „Erfolgreich neu Arbeiten“ „Back to normal oder New Work für immer?“ – Drei von vielen Überschriften aus FM-Fachzeitschriften zu einem der Trendthemen unserer Zeit. In der Theorie ist „New Work“ im FM angekommen, doch wie sieht es in der Praxis aus? Sieht sich das Facility Management für den Bereich Arbeitswelten in der Verantwortung? Was ist die Motivation für Unternehmen sich dem Thema zu widmen und was bedeutet „New Work“ eigentlich konkret?
Der Begriff New Work (deutsch: Neue Arbeit) wurde Ende der 70er Jahre vom österreichisch-amerikanischen Sozialphilosoph Prof. Dr. Frithjof Bergmann geprägt. Das breite und heutige Verständnis ist eine Weiterentwicklung aus den theoretischen Ansätzen aus den 70ern. Diese haben sich insbesondere mit den Themen der individuellen Freiheit, Talente und Stärken auseinandergesetzt und damit, wie diese mit der Arbeitswelt verknüpft und umgesetzt werden können. Heute beschreibt „New Work“ den strukturellen und zukunftsorientierten Wandel in unserer Arbeitswelt. New Work trifft dabei auch auf das Facility Management, welches Themen wie Raumkonzepte, Arbeitsplatzgestaltung genauso wie Veränderungen hinsichtlich der technischen Gebäudeausstattung oder neuer Reinigungskonzepte, neu denken muss. Ursachen dafür sind unter anderem der Fortschritt von digitalen Technologien und daraus resultierend eine immer intelligenteren Gebäudeautomatisierung, IoT, die Globalisierung sowie der demografische Wandel. Diese eröffnen völlig neue Chancen und Möglichkeiten in der Ausführung und Organisation von Arbeit.
FM als Gestalter?
Gute Gründe, sich mit der Thematik auseinanderzusetzen, gibt es viele: Steigerung der Nutzerzufriedenheit, Anpassung an eine zunehmend vernetzte Welt oder die weiterführende Reaktion auf die neuen Anforderungen, welche sich durch die Pandemie ergeben haben. Aus Sicht des Facility Managements sind es darüber hinaus Gründe wie Flächenreduzierung z. B. durch eine geregelte Desk-Sharing Kultur, effiziente Flächennutzung durch neue Raumkonzepte oder schnellere Reaktionszeiten des Gebäudemanagements durch Digitalisierung und Automation.
Der Fokus des FM sollte jedoch nicht ausschließlich auf Kosten- und Flächeneffizienzkennzahlen liegen. In der GEFMA Richtlinie 100-1 heißt es: „Facility Management gestaltet Arbeitsplätze, Arbeitsbedingungen und Arbeitsumgebungen derart, dass ein konzentriertes und störungsfreies Arbeiten in einem fördernden Umfeld möglich ist. Dadurch leistet Facility Management einen Beitrag zur Steigerung der Arbeitsproduktivität und zur Unterstützung der Kernprozesse des Unternehmens.“
Pilotprojekt mit Vorbildcharakter
Einen konkreten Einblick in die Praxis eröffnete uns das Unternehmen Atruvia AG auf der letzten GEFMA Lounge Niedersachen im Juli 2022. Das Thema der Veranstaltung war „Energieverknappung und Preissteigerungen im FM – Wie reagiert die Branche?“ woraufhin die Einführung von New Work Konzepten eine Reaktion mit Alleinstellungsmerkmal war. Das Unternehmen hat zum einen auf Basis einer Trendumfrage, welcher zu entnehmen war, dass immer weniger Arbeitnehmer fünf Tage die Woche einen festen Arbeitsplatz im Büro benötigen sowie zum anderen auf Basis eines konzernweiten neu etablierten Zusammenarbeitsmodells agiert. Die Motivation ist somit nicht solitär den FM-Interessen zuzuordnen, das Output jedoch umso mehr.
Der als Pilotprojekt fungierende Unternehmensstandort Münster wurde hinsichtlich der Flächen- und Arbeitsplatzgestaltung einmal von links auf rechts gedreht. So stehen mit 60 % Einzel-, 30 % Hybridarbeitsplätzen und 10 % Kommunikationsflächen bei einer Desk-Sharing Quote von 1:1,5 nun 15 Mitarbeitenden 10 Arbeitsplätze zur Verfügung. Diese wurden, in Zusammenarbeit mit unternehmensinternen Innenarchitekten, neu gestaltet und modern ausgestattet. Aufgrund dieser eingeführten und geregelten Quote konnten sämtliche externe Flächen am Pilotstandort abgemietet werden.
Parallel zur Einführung der Desk-Sharing Quote wurden anhand von Bedarfsanalysen besondere Anforderungen evaluiert. Diese ergab beispielsweise, dass die FM-Abteilung eine geringere Quote benötigt, da Haustechniker aus naheliegenden Gründen schlechter aus dem Home-Office arbeiten können als klassische Büromitarbeitende.
Auch das unternehmenseigene Buchungstool bringt Vorteile für das FM mit sich: Die Auswertung der Flächennutzung wird dem Reinigungspersonal zugespielt, wodurch dieses effektiv nur die Flächen und Räume reinigt, welche tatsächlich benutzt worden sind. Zukünftig soll dies noch einfacher über Sensoren erfolgen. Ebenfalls gibt es am Jahresende eine Auswertung, wieviel CO² durch die Reduzierung von Pendelverkehr zum Bürostandort eingespart wurde sowie eine Anzeige in der App, wo die Ersthelfer ihren Arbeitsplatz gebucht haben. Und auch für den Fall, dass die zur Verfügung gestellten Hybridflächen nicht ausgelastet sind, hat die Atruvia AG einen Plan: Flächeneffizienz durch temporäre Vermietung von Flächen, mit dem Nebeneffekt, dass diese eine „Testwiese New Work“ für andere Unternehmen darstellen können.
Diese Beispiele zeigen wie Neue Arbeitswelten und Facility Management bereits jetzt und in der Zukunft Hand in Hand gehen können. Sowohl das FM wie auch die Nutzer und Nutzerinnen können bei strategischer und bedarfsgerechter Anwendung davon profitieren.
Einen vertiefenden, diskutierten Einblick in die Thematik „New Work – Neue Arbeitswelten aus der Sicht des FMs“ wird es im fm.benchmarking Bericht 2023 geben. Aus diesem Hintergrund läuft noch bis zum 31.08. eine Marktumfrage, zu deren Teilnahme Sie herzlich eingeladen sind.