Aus dem ernüchternden Leben eines Gutachters…
Häufig werde ich gefragt warum FM-Audits denn überhaupt gemacht werden müssen. In Zeiten von BIM, FM 4.0, Digitalisierungszeitalter sind wird doch up-to-date? Prozessmodelle, Dokumentationsrichtlinien, FM-Standardverträge – wir sorgen doch für ein gutes FM?
Viele Leistungen werden nicht erbracht
Zugegeben, bei mir hat sich etwas aufgestaut, aber die Realität sieht ganz anders aus… Es scheitert oft am einfachsten: der Identifikation der Personen mit Ihrem Gebäude und den benötigten Aufgaben. Es vergeht nicht ein FM-Audit in dem wir nicht massive Mängel an operativen Leistungen der FM-Dienstleister feststellen.
Wie geht das? Der Gutachter wechselt das weiße Hemd, die Krawatte und nimmt sich die Arbeitsjacke. Dann werden die Leistungen kontrolliert, technische Daten und Leistungskataloge bilden die Basis. Das Ergebnis? Viele Leistungen, auch sicherheitsrelevante, operative Leistungen werden nicht erbracht.
Im alljährlichen ADAC-Test mit den versteckten Mängeln würden viele unserer Dienstleister mit Pauken und Trompeten durchfallen! Ist es der Kostendruck? Ist es die Tatsache, dass ein Objektleiter mehrere Großobjekte gleichzeitig betreuen muss? Sind es die Rendite-Vorgaben? Oder ist der Auftraggeber selber schuld, da er immer den Billigsten will und möglichst wenig Vergütung zahlen möchte?
Ich stelle fest, dass oftmals dringend benötigte Grundleistungen nicht erbracht werden.
- Arbeits- und Leistungskataloge mit herstellerspezifischen Angaben sind nicht bekannt – oder werden nicht erstellt
- Die Optimierung von Anlagen, z.B. von RLT-Anlagen mit Nutzung des h,x-Diagramms – ein Fremdwort
- Die Gebäudeleitzentrale, eine der teuren Investitionen in der Baumaßnahme – sie wird oft nicht genutzt
- Optimierungsprogramme, Trenddatenauswertung, Datenhistorisierung – als Gutachter braucht man dies nicht prüfen, denn die (teuren) Funktionen werden nicht genutzt. Dann muss ich sie erst gar nicht kaufen – das wäre einfacher!
Liebe FM-Fachwelt,
wir sprechen über viele neue Themen. Aus meiner Sicht ist die Professionalisierung der Branche dringend notwendig. So lange die operativen Standardleistungen so schlecht erbracht werden können wir uns die Datenbrille noch sparen.
Hinweis: Die Ausführungen gelten überwiegend für extern bewirtschaftete Gebäude, im Eigenbetrieb wurden bessere Leistungserfüllungsgrade festgestellt.
Über den Autor
Prof. Uwe Rotermund ist als Gesellschafter von rotermund.ingenieure und als öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Facility Management (Ingenieurkammer Niedersachsen) in vielfältigen Projekten der freien Wirtschaft und der öffentlichen Hand tätig. Zudem lehrt und forscht er im Bereich Immobilien-Lebenszyklus-Management und Facility Management an der Fachhochschule Münster